Projektbeschreibung

Musik bedeutet Kommunikation. Ein Großteil unserer alltäglichen Kommunikation findet in den sozialen Medien statt und wir finden, dass auch musikalische Kommunikation hier einen Platz haben sollte. Darum rufen wir die internationale Twitter-Community dazu auf, uns ein kurzes Quartett mit maximal 140 Noten auf Twitter zu tweeten—ein #quartweet!

Schon Bach, Webern und Kurtág haben mit weniger als 140 Noten prototypische #quartweets geschrieben. Grawemeyer-Preisträger Sebastian Currier und Brett Dean, Pulitzer-Preisträgerin Caroline Shaw, sowie Bruno Mantovani, Kevin Volans, Steven Mackey, Derek Bermel, Sarah Kirkland Snider, Julian Grant, Jing Jing Luo, Konstantia Gourzi u.v.m. haben bereits #quartweets komponiert. Matthijs van Dijk hat das allererste #quartweet “Eine kleine Dubstep” geschrieben.

Zum Projektstart gab das Ensemble im Rahmen einer Residency im Oktober 2015 sein Konzertdebüt in der Kammermusikreihe des Princeton Symphony Orchestras. Zudem sind Workshops an Schulen und Universitäten ein wesentlicher Teil des Projekts – wie beispielsweise mit der Kompositionsklasse von Rob Fokkens im November 2016 an der Cardiff University. Wir spielen regelmäßig #quartweets in unseren Konzerten und veröffentlichen sie auf sozialen Medien und YouTube.

Weitere Informationen finden Sie hier: @SignumQuartet auf Twitter.

#quartweet no. 1 #EineKleineDubstep
von Matthijs van Dijk

138 Noten

Wie die Partitur auf Twitter geteilt werden kann

Die Partitur kann mithilfe einer beliebigen Filesharing-Platform wie z.B. Dropbox oder slideshare hochgeladen werden und den entsprechenden Download-Link an uns getweetet werden. Wir würden uns dazu über eine sehr knappe Beschreibung des Stücks – einen „programme tweet“, natürlich mit weniger als 140 Zeichen – freuen. Zusätzlich wäre es toll, wenn die Anzahl der Noten des #quartweets erwähnt würde.

Wie werden Noten definiert bzw. gezählt?

Hier sind einige Richtlinien, die jedoch nicht den Anspruch darauf erheben, in Stein gemeißelt zu sein – jede kreative Auseinandersetzung mit den „Regeln“ ist willkommen und wir freuen uns über Fragen und Anregungen.

Besonderer Dank für die Mithilfe bei der Ausarbeitung dieser Richtlinien gebührt Sebastian Currier vom IAS.

Ein Notenkopf zählt als Note. Es dürfen nicht mehr als 140 Noten in allen vier Stimmen zusammen sein.

Fallbeispiele:

1 Notenkopf mit Tremolo, mit freien/undefinierten Repetitionen oder Ricochet wird als eine Note gezählt.
Ein freies Tremolo zwischen zwei Notenköpfen wird als zwei Noten gezählt.
Ein Notenkopf mit einem Glissando, das mehrere Tonstufen durchläuft, wird als eine Note gezählt.
Bei Doppelgriffen und Akkorden werden die einzelnen Notenköpfe gezählt.

Ausnahmen:

Notenköpfe, die ohne neue Artikulation durch Haltebögen miteinander verbunden sind, zählen nur als eine Note.
Künstliche Flageoletts mit zwei Notenköpfe aber nur einen klingenden Ton zählen als eine Note.

Wiederholungen von Abschnitten:
Wiederholungen sind erlaubt, sofern die letztlich gespielte Anzahl der Noten 140 nicht übersteigt.

Simile-Zeichen („Faulenzer“):
Simile-Zeichen werden mit der Anzahl von Noten gezählt, die sie ersetzen.

Verzierungen:
Symbole für Triller, Mordente, Doppelschläge usw. werden nicht gezählt. Vorschläge werden als Noten gezählt, da sie auch Notenköpfe beinhalten.

Vortragsanweisungen, Taktangaben, Tempobezeichnungen, Dynamik-, Artikulationszeichen etc. werden nicht mitgezählt. Auch Pausen zählen nicht, nur die Noten.

Q&A im Gespräch mit Xandi van Dijk vom Signum Quartett und Marc Uys vom Princeton Symphony Orchestra (Mai 2015)

1. Was ist ein #quartweet?
Xandi: Die Grundidee ist einfach – in der Musik geht es vor allem um Kommunikation und da heutzutage ein Großsteil der Kommunikation in den sozialen Medien stattfindet, wünschten wir uns auch hier ein Forum für Kommunikation in und über Musik. Deshalb rufen wir Komponisten aus aller Welt dazu auf, uns ein kurzes Quartett mit 140 Noten oder weniger zu twittern: einen #quartweet!


2. Wie ist das Projekt entstanden und welche Ideen liegen ihm zugrunde?

Xandi: Das #quartweet-Projekt erwuchs aus der Idee, eine Art „Sampler-Album“ bestehend aus sehr kurzen Stücken von so vielen verschiedenen Komponisten und in so vielen verschiedenen Stilen wie möglich – keinesfalls nur in der Tradition der abendländischen Musik! –zusammenzustellen. Aus diesem Ansatz heraus entstand später der Gedanke, als zusätzliche Komponente des Projekts Komponisten die Möglichkeit zu geben, die Werke anderer zu kommentieren oder sogar fortzusetzen, sodass lertztlich eine Art „Open-Source“-Komposition entsteht – ein Meta-#quartweet! Ich weiß nicht, wie realistisch die Vorstellung eines Meta-#quartweets ist, aber das Zusammentreffen vieler unterschiedlicher Stile und verschiedener musikalischer Sprachen ist ungemein reizvoll in meinen Augen und wer weiß, vielleicht wird sich die Meta-Ebene ja ergeben.


3. Was sind die Ziele des Projekts?

Wir wünschen uns, dass Komponisten ihr kreatives Potenzial im Rahmen einer neuen Kommunikation einbringen und hoffen, dass sich „@SignumQuartet #quartweet“ zu einer internationalen Plattform entwickelt, innerhalb derer Musiker untereinander und vermittelt durch ihre Kompositionen miteinander kommunizieren. Auf keinen Fall sollen diese #quartweets ausschließlich dem Signum Quartett vorbehalten sein! Ich wünsche mir, dass unsere Twitter-Seite allen Musikern offen steht, die nach interessanten neuen, kurzen Stücken suchen, um sie in ihre eigenen Programme zu integrieren und als Inspirationsquelle für weitere Komponisten dient.
Gleichzeitig werden wir, das Signum Quartett, nach und nach beginnen, eine variierende Auswahl der quartweets in unsere Konzertprogramme zu integrieren und unsere Favoriten in regelmäßigen Post auf Periscope und unserem Youtube-Channel der Öffentlichkeit zu präsentieren in der Hoffnung, dass andere Musiker es und gleichtun!


4. Warum haben Sie für dieses Projekt ausgerechnet Twitter als Plattform gewählt?

„Streichquartette waren mir von jeher von der Instrumental-Musik das Verständlichste“, schrieb Goethe 1829 an C. F. Zelter, „man hört vier vernünftige Leute sich unter einander unterhalten, glaubt ihren Discursen etwas abzugewinnen und die Eigenthümlichkeiten der Instrumente kennen zu lernen”.

Gut, jeder, der einmal in Twitter hineingeschnuppert hat, weiß, dass es hier leider nicht immer „vernünftige“ Leute sind, die miteinander kommunizieren… Jeder, der einmal einen Tweet verfasst hat, weiß auch, dass man sich hier – mit einer Beschränkung auf 140 Zeichen – in einer ganz spezifischen, sehr knappen und prägnanten Weise ausdrücken muss. Diese Voraussetzung hat sich – sowohl positiv als auch negativ – auf die Art ausgewirkt, wie wir miteinander kommunizieren. Wir sehen den #quartweet nicht nur als eine neue musikalische Kommunikationsform, sondern auch als eine Kompositionsübung im Sine der Prägnanz.

Ein weiterer wichtiger Aspekt von Twitter ist der hier herrschende ungezwungene Tonfall der Kommunikaton, eine Eigenschaft, die dem klischeehaften (und ungerechten) Image des Streichquartetts als einem sperrigen, monumentalen Genre der abendländischen Musiktradition, entgegensteht. Ich liebe diese monumentalen Kompositionen, ich liebe es, sie zu spielen und sie zu hören und ich denke, dass die Menschheit noch immer eine Menge aus ihnen lernen kann, aber sie repräsentieren definitiv NICHT den einzig gültigen Weg, sich dieser Gattung zu nähern!


5. Gibt es Vorläufer solcher vierstimmigen Kompositionen mit 140 Noten oder weniger?

Xandi: Ja! Es gibt drei Choräle von J. S. Bach: die Nummern 6, 42 und 130 aus der Sammlung von 371 Choralsätzen. Neun der 12 Mikroludien von G. Kurtág und jede der 6 Bagatellen für Streichquartett von A. Webern haben ebenfalls weniger als 140 Noten. Und ich bin sicher, es gibt noch viele mehr!


6. Wie kam es zu der Kooperation mit dem Princeton Symphony Orchestra?
Xandi: Mein guter Freund Marc Uys ist der Executive Director des Princeton Symphony Orchestras (PSO). Wir lernten uns während unserer Studienzeit in Cape Town kennen und spielten dann von 2002 bis 2006 zusammen im Sontonga Quartet. Ich erzählte Marc von der Projektidee und er war sofort Feuer und Flamme. Kurz darauf hatte er den wunderbaren Einfall, alle zeitgenössischen Komponisten, die bis dato für Uraufführungen oder in anderer Weise mit dem PSO zusammengearbeitet hatten, zu bitten, #quartweets zum Anlass des 35-jährigen Jubiläums des Orchesters in der Saison 15/16 zu schreiben. Hieraus ergab sich die Möglichkeit, das #quartweet-Projekt im Rahmen der PSO’s Chamber Series aus der Taufe zu heben und damit einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen.

Marc: Dieses Projekt ist perfekt für eine Zusammenarbeit mit dem PSO, denn es ermöglicht uns, zahlreiche Aspekte unserer Programmgestaltung miteinander zu verbinden und auf die Bühne zu bringen. Indem wir das #quartweet-Projekt mit aus der Taufe heben, stärken wir unsere Beziehungen zu verschiedenen Einrichtungen des öffentlichen Lebens und akzentuieren unter dem Einsatz von Spitzentechnologie eine wichtige pädagogische Komponente. Außerdem können wir so ein Weltklasse-Kammermusikkonzert präsentieren, das zugleich in unmittelbarem Zusammenhang zu unseren Abonnementskonzerten steht. Hinzukommen sieben Welturaufführungen von „Komponistenfreunden“ des PSO und eine riesige Online-Präsenz – das ist genau das, was man eine Win-win-Situation nennt!


7. Welche Komponisten beteiligen sich bis jetzt an dem Projekt?

Xandi: Der Erste, den ich gefragt habe, war mein Bruder Matthijs van Dijk, der praktisch sofort mit einem #quartweet mit dem Titel „Eine kleine Dubstep“ antwortete.

Marc: Wir freuen uns sehr, dass wir die Möglichkeit haben, eine Reihe außergewöhnlicher Komponisten, die in der Saison 15/16 mit uns kooperieren, alle zusammen in einem Projekt musikalisch zu Wort kommen zu lassen. Bis jetzt haben wir #quartweet-Zusagen von Sebastian Currier (Artist-in-Residence des Institute for Advanced Study), Steven Mackey (Vorsitzender des Department of Music an der Princeton University), Pulitzer-Preisträgerin Caroline Shaw, Sarah Kirkland Snider, Julian Grant, Derek Bermel (früherer Artist-in-Residence des Institute for Advanced Study) und Jing Jing Luo, die im Rahmen der Projekts „Music Alive“ der League of American Orchestras und „New Music USA | New Partnerships“ demnächst eine Residency beim PSO haben wird. Das Projekt des Signum Quartetts bietet uns die Möglichkeit, Informationen über diese Komponisten zu twittern und ihre Zusammenarbeit mit dem PSO anzukündigen!

Xandi: Bruno Mantovani wird uns einen 10-Sekunden-#quartweet schreiben – wir werden im Januar 2016 auch ein „normales“ Streichquartett von ihm bei der Pariser Biennale uraufführen. Konstantia Gourzi wird uns ebenfalls einen #quartweet schreiben. Zudem haben wir mit Rob Fokkens von der Cardiff University gesprochen – ein weiterer guter Freund – und wir sind hocherfreut über die Kooperationszusage von ihm und der Universität.


8. Wie sieht die pädagogische Seite des Projekts aus?
Marc: Als Teil des Residency-Programms des PSO „BRAVO!“ wird das Signum Quartett das Lawrence Township School District besuchen und dort Schülern der 3. Klasse aller vier Grundschulen das #quartweet-Projekt vorstellen und mit ihnen an Kurzkompositionen arbeiten. Wir werden einen Workshop für die Kinder und ihren Lehrer Daniel Beal anbieten, in dem sie ihre #quartweets auf iPads notieren, sie twittern und sie sogar aufführen können! Diesen Mittwoch wird das Signum Quartett ein Studentenkonzert mit #quartweets geben; ein exklusives Preview-Konzert, indem einige der Grundschul-#quartweets erklingen, wird am Donnerstagabend, den 1. Oktober um 19h, an der Lawrence High School stattfinden. Wir werden einen studentischen Beitrag auswählen, der im Konzert des Signum Quartetts in der PSO Chamber Series beim offiziellen Projektstart am Sonntag, den 4. Oktober um 16:30 im Wolfensohn Saal des Institute for Advanced Study in Princeton aufgeführt wird.

Das Konzert wird über einen Live-Stream auf der Webseite des PSO zu verfolgen sein: princetonsymphony.org.

Xandi: Durch unsere Partnerschaft mit der Cardiff University werden wir auch dort einige Zeit verbringen. Vorher werden wir auf Youtube nicht nur Aufnahmen studentischer quartweets zur Verfügung stellen, sondern auch eine Art Mini-Tutorials in der Art eines Video-Meisterkurses über ausgewählte quartweets.


9. Wie definiert bzw. zählt man die Noten eines quartweets?

Xandi: Ohne jetzt zu sehr in technische Details zu gehen, ist unsere Faustregel, dass jeder Notenkopf zählt. Eine Ausnahme sind solche Notenköpfe, die ohne neue Artikulation durch Haltebögen miteinander verbunden sind – diese zählen dann nur als eine Note. Vortragsanweisungen, Taktangaben, Tempobezeichnungen, Dynamik-, Artikulationszeichen etc. werden nicht mitgezählt. Auch Pausen zählen nicht, nur die Noten.


10. Wie begegnet man den heutigen Hörgewohnheiten (und der schrumpfenden Aufmerksamkeitsspanne)?

Matthijs van Dijk, Komponist des allerersten #quartweets, fasst die Situation so zusammen:

„Generell haben die Menschen heutzutage, in der Blütezeit des Smartphones mit seinen kurzweiligen Apps, eine geringere Aufmerksamkeitsspanne als noch vor fünf Jahren. Als Komponist denke ich, dass man das berücksichtigen sollte, wenn man ein neues Werk schreibt. Auch wenn es verführerisch erscheint, den großen Symphonikern vergangener Zeiten nachzueifern, sehe ich, dass das Publikum heute oft nicht mehr die Geduld hat, Werke einer gewissen Länge aufmerksam zu verfolgen (mich selbst eingeschlossen und ich bin ein großer Mahler-Fan!). Wenn ich also ein Stück schriebe und es sollte ein „langes“ Werk sein, würde ich es nicht länger als 20 Minuten werden lassen – das ist die Dauer einer Sitcom-Episode (ohne Werbeunterbrechung), eine Aufmerksamkeitsspanne an die sich heute jeder gewöhnt hat. In diesem Zusammenhang machte ich auch Erfahrungen beim Schreiben von Skripten für eine TV-Serie. Das zeigte mir, dass ein Zuschauer schon bei einem Video-Clip von über 5 Minuten das Gefühl hat, einen Teil seiner kostbaren Zeit zu „investieren“ und von daher wirkliches Interesse an dem Clip haben muss, wohingegen er einen uninteressanten Clip von nur 3 Minuten oder sogar noch kürzerer Dauer nicht einmal eines Blickes würdigen würde. (Das Gleiche trifft auch beim Lesen von Online-Artikeln zu – unter Beiträgen, die nicht gerade in überschaubarer Listenform oder mundgerechten Happen serviert werden, wird man häufig den Kommentar „TL; DR“ lesen – „too long; didn’t read“ [zu lang, hab ich nicht gelesen]). Obwohl die Konzertsäle auch heute noch der Ort für das „epische“ Repertoire sind, denke ich, dass wenn man die Aufmerksamkeit einiger neuer Hörer gewinnen möchte, Kürze mehr nützen als schaden würde.“